Wer Harmonie sucht und politische Gegensätze gerne im Einvernehmen regelt, dürfte sich im Salacher Gemeinderat derzeit nicht besonders heimelig fühlen. Der Politikstil des Gemeinderats René Niess (SÖS) hat schon mehrfach Ratskollegen gegen ihn aufgebracht, zuletzt wählten Bürgermeister Julian Stipp (SPD) und der CDU-Fraktionschef Markus Edinger im Rahmen der Haushaltsberatungen deutliche Worte.
Jetzt hat Einzelgemeinderat Niess mit einer umfangreichen Stellungnahme gegen Bürgermeister Stipp reagiert. Er wirft dem Rathauschef vor, „sich nun den Politikstil von Stefan Mappus (CDU) als Vorbild zu nehmen“. Niess bezieht sich mit diesem Vergleich auf die Baumfällaktionen im Stuttgarter Schlossgarten für Stuttgart 21, die am 30. September 2020 in Polizeiausschreitungen gegen Demonstranten endeten. Das Salacher Gegenstück zu Stuttgart aus Sicht von Niess ist eine „verwilderte Obstbaumplantage“ an der Lautertalstraße, die laut Niess Mitte Dezember gerodet wurde – „keine zwei Tage nach der Eskalation bei der letzten Gemeinderatssitzung“. In der Haushaltsrede hatte Stipp den Politikstil seines Kontrahenten und dessen Glaubwürdigkeit scharf kritisiert. Stipp sprach zum Beispiel über den Sportwagen, mit dem Niess häufig unterwegs sei. Im Wahlkampf stelle sich Niess hingegen als umweltfreundlicher Radfahrer dar.
Aktuell geht es um ein Gewerbe- und ein Mischgebiet, das Salach am Ortsrand links und rechts der Lautertalstraße ausweisen möchte. Niess lehnt die Bebauung ab und hat einen Bürgerentscheid über das Areal beantragt. Der Bürgermeister habe zunächst im Oktober und dann im Rahmen der Haushaltsberatungen im Dezember eine Abstimmung über den SÖS-Antrag abgelehnt. Stipp habe nur deswegen die Abstimmung verweigert, um eine Dreimonatsfrist zu vermeiden, in der Unterschriften für einen Bürgerentscheid gesammelt werden können, vermutet Niess, der das Verhalten des Bürgermeisters rechtswidrig nennt. Um diese Vorgehensweise nicht auch noch anzuerkennen, habe er, so Niess, verweigert, an der Abstimmung über den Haushaltsplan teilzunehmen. Dann hätte er nämlich, auch bei einem Nein-Votum, die Rechtmäßigkeit des Beschlusses akzeptiert, erläutert Niess. Im Versuch, ihn zur Teilnahme an der Abstimmung zu zwingen, sieht der SÖS-Gemeinderat eine „Hinterlist“ des Bürgermeisters.
Bürgermeister im Urlaub
Wie der Bürgermeister den Streit bewertet, ließ sich bis Redaktionsschluss trotz mehrerer Versuche nicht ermitteln. Stipp ist im Urlaub. Er reagierte weder auf Anfragen aus seinem Rathaus, noch auf E-Mail-Bitten um Rückruf. Auch die übrigen Amtsleiter in Salach, die etwas zu dem Konflikt und der zügigen Baumrodung sagen könnten, haben Weihnachtsferien.
Rathauskritiker Niess wundert sich, dass die Obstbäume so rasch gerodet wurden. Mit einer baldigen Erschließung des Gebiets habe dies sicher nichts zu tun. Damit scheint er sogar einer Meinung mit dem Bürgermeister zu sein. Denn Stipp hatte im Oktober gegenüber der NWZ von einer „perspektivischen“ Entwicklung gesprochen. Der Bürgermeister vermittelte den Eindruck, dass dort in absehbarer Zeit nichts Konkretes geschehen wird: „Die Aufgabenvielfalt in Salach ist groß. Wir müssen Kräfte konzentrieren.“ Grundsätzlich gebe es aber schon Interesse von Salacher Firmen. Stipp kündigte damals an, dass er die Bürger einbeziehen möchte. Womöglich hat die Fällaktion jetzt damit zu tun, dass nur in dieser Vegetationsperiode solche Rodungen erlaubt sind.