Haushalt 2023
Rede
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Eberle,
sehr geehrte stellvertretende Bürgermeister:innen,
sehr geehrte Damen und Herren der Gemeindeverwaltung,
werte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
wer in Frieden aufwachsen durfte, für den ist Krieg, die Vorstellung, dass Staaten ihren Konflikt mit Waffengewalt und Töten statt mit Verstand und Diplomatie lösen, etwas Abstraktes, etwas Unwirkliches – und wir alle mussten kürzlich lernen, wie vergänglich Frieden doch ist. 285 Tage, so lange ist es schon her, seit Russland die Ukraine überfallen hat. Auch wenn EU und NATO in den letzten Jahren mit ihrer Politik maßgeblich zur Zuspitzung der Lage beigetragen haben, ist der aktuelle russische Angriffskrieg durch nichts zu rechtfertigen.
Die Konsequenzen dieses Kriegs reichen weit über die Ukraine hinaus. Während allein in Ostafrika aktuell 20 Millionen Menschen von akutem Hunger bedroht sind, versuchen Spekulanten aus dem Krieg Profit zu schlagen und treiben so die Weizenpreise in die Höhe. Es drohen Hungersnöte enormen Ausmaßes. In Europa fehlt indes weniger ukrainisches Getreide denn russisches Gas. Die Energiekrise, wohlgemerkt ein hausgemachtes Problem, da alle den Preis des teuersten Kraftwerks – also des Gaskraftwerks – zahlen müssen, ganz egal, wie teuer die Stromerzeugung in Wahrheit eigentlich ist, heizt die Inflation in Deutschland weiter an und beschert den Konzernen gleichzeitig zusätzliche Gewinne in Milliardenhöhe. Während die Bürger:innen und auch Kommunen in diesem Land langsam an den explodierenden Kosten ersticken, schafft es ein grünes Wirtschaftsministerium, ein vermeintlich roter Bundeskanzler und das Finanzministerium unter Führung der Partei für Superreiche – besser bekannt als FDP – seither nicht, die Menschen zu entlasten und Kriegsgewinnler endlich angemessen zur Kasse zu bitten.
Salach ist nicht die einzige Kommune, die nun eine monetäre Breitseite einstecken musste, doch im Gegensatz zu anderen Gemeinden stehen wir an der Schwelle zu einem Jahrhundertprojekt – nicht in dessen Dauer, aber in seiner Bedeutsamkeit. Die Wiedererschließung des ehemaligen Schachenmayr-Areals und der Bau eines Mehrgenerationenhauses samt Kinderbetreuung auf den Krautländern sind ein Meilenstein in der Geschichte Salachs.
Auf der einen Seite der massiv gestiegene finanzielle Druck, auf der anderen die Erwartungen der Salacher Bevölkerung und das zu nutzende Potential des Areals. Es wirkt zunächst unmöglich, diese widersprüchlichen Punkte zu vereinen und doch hat sich seit der Sondersitzung im November Ausweglosigkeit in Hoffnung gewandelt. Wenn ich sehe, wie die verschiedenen Abteilungen unserer Verwaltung untereinander und mit den externen Interessensgruppen Hand in Hand zusammenarbeiten, dann glaube ich daran, dass wir das scheinbar Unmögliche möglich machen können! An dieser Stelle, meine Damen und Herren der Gemeindeverwaltung, daher meinen tiefsten Respekt und Dank für Ihre Arbeit – vor allem in diesen schwierigen Zeiten.
SÖS hat dieses Jahr insgesamt 18 Haushaltsanträge vorbereitet, wovon ich nun noch auf ein paar ausgewählte im Besonderen eingehen möchte.
Wieder ganz vorn mit dabei und erst durch Corona, dann durch den Ukrainekrieg aus der öffentlichen Berichterstattung weitestgehend verschwunden: Das Klima. Genauer gesagt der Klimaschutz.
Im Frühjahr 2021 zum ersten Mal von SÖS beantragt, die Stabstelle Klimaschutz samt Klimaschutzmanager:in. Von Ex-BM Stipp dann in seiner Haushaltsrede für 2022 als Idee für den Klima-Workshop adressiert und in der Klimawerkstatt am 5. April diesen Jahres tatsächlich auch kurz angesprochen. Passiert ist seither diesbezüglich allerdings, soweit bekannt, nichts. Aus diesem Grund daher der erneute Antrag auf Ausschreibung der Stelle für eine:n Klimaschutzmanager:in. Der Gedanke, sich hierbei als Gemeindeverwaltungsverband mit anderen Kommunen zusammenzuschließen, ist zwar nachvollziehbar, aber wenn diese offenbar kein Interesse daran haben, dann muss Salach diesen Schritt jetzt eben alleine gehen, denn die Zeit drängt.
Wir bleiben noch etwas beim Klimaschutz. Um auch als Gemeinderat die Bedeutung von Beschlüssen für das Klima angemessen berücksichtigen zu können, sollen Sitzungsvorlagen künftig neben den finanziellen Auswirkungen auch immer die Auswirkungen auf das Klima ausweisen.
Zur Förderung von erneuerbaren Energien und als Teil lokaler Energieversorgung soll, ggf. in Zusammenarbeit mit der Bürgerenergiegenossenschaft, der Besucherparkplatz zwischen Freibad und Staufeneckschule mit Solarzellen überdacht werden. Neben der Energieproduktion spenden die Photovoltaikanlagen gleichzeitig den auf Grund weniger Bäume sonst nur spärlich verfügbaren Schatten. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob auch die Dächer des Freibads mit Solarzellen ausgerüstet werden können. Mögliche Probleme der Vergangenheit, bspw. wegen Bedenken zur Tragfähigkeit, könnten durch technischen Fortschritt mittlerweile gelöst worden sein.
Um technischen Fortschritt geht es auch im nächsten Punkt. Neben dem Klima ist ein weiteres, stets wiederkehrendes Thema bei SÖS das Bemühen um mehr Transparenz. Es wird daher niemanden verwundern, dass seit SÖS im Gemeinderat sitzt und damit nun zum vierten Mal in Folge ein Antrag auf Aufzeichnung der öffentlichen Gemeinderats- und Ausschusssitzungen gestellt wird. Um genau zu sein, handelt es sich dieses Mal sogar gleich um zwei Anträge, die ich Ihnen gerne näher erläutern möchte.
Anfänglich ging es 2019 noch um einen Livestream, also eine direkte Bild- und Tonübertragung aus dem Sitzungssaal. 2020 dann eine Bild- und Tonaufzeichnung ohne Stream, aber mit späterem Upload ins RIS. Und schließlich letztes Jahr dann der Antrag für eine reine Tonaufzeichnung mit späterem Upload ins Ratsinformationssystem. Abgelehnt. Abgelehnt. Abgelehnt. Zu teuer, zu selten genutzt und überdies schädlich für die Diskussionskultur in der Sitzung, hieß es. Dabei hat sich jüngst gezeigt, dass sehr viele Menschen dieses Medium nutzen würden. Während bei der Kandidatenvorstellung zur Bürgermeisterwahl in der Stauferlandhalle für ca. 530 Menschen bestuhlt war und gar nicht alle Plätze vollständig belegt waren, verzeichnete die Filstalwelle im Livestream satte 857 Zuschauer:innen. Wie viele den Livestream zudem noch später „nachgeschaut“ haben, wie ich selbst, konnte gar nicht erst ermittelt werden, aber auf YouTube wurden weitere 188 Aufrufe verzeichnet. Dies beweist doch, dass seitens der Bevölkerung bei den richtigen Themen sehr wohl Wunsch und Wille vorhanden sind, um sich über politische Inhalte unserer kommunalen Tätigkeit zu informieren. Doch dies zum möglichen Interesse seitens der Bevölkerung nur am Rande.
Was also bleibt übrig, wenn man die ursprüngliche Idee „Livestream“ nun noch weiter zusammenkürzt? Hierfür blicken wir kurz in unsere Nachbarkommune. Am 8.11.22 berichtete die NWZ über den Antrag der Eislinger CDU-Fraktion neben dem schriftlichen Protokoll künftig auch Tonband-Aufzeichnungen der Ratssitzungen anzufertigen und zu archivieren. Zitat: „Zur Entlastung der Protokoll-Führung und zur Vermeidung von Unklarheiten.“ Dem anfänglichen Transparenzgedanken gegenüber den Salacher:innen kann dieser Vorstoß zwar nicht gerecht werden, aber immerhin wäre es ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Und was hat es nun mit dem zweiten Antrag auf sich? Die Renovierung und Verkabelung des Sitzungssaals wurde in der Vergangenheit immer wieder verschoben und ist auch weiterhin ausstehend. Dies ermöglicht uns nun, für die Zukunft vorzusorgen. Vielleicht mögen Sie aktuell keinem Podcast oder Livestream zustimmen, aber die Digitalisierung wird in jedem Fall weiter voranschreiten. Wer kennt schon die Anforderungen an die Ratsarbeit in wenigen Jahren oder Jahrzehnten. Nutzen wir also jetzt die Chance und planen beim neuen Sitzungssaal auch gleich für kommende Gemeinderäte, die dieser Idee gegenüber vielleicht durchaus mehrheitlich aufgeschlossen sind.
Nun noch zu einem Antrag, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, und bei dem ich um die Zustimmung der beiden Fraktionen werben möchte.
Wie erwartet, quellen unsere Tierheime mittlerweile über. Während Pandemie und Lockdown zum Zeitvertreibt angeschafft, ist für viele der Weg zum nächsten Tierheim scheinbar kurz, um sich dem jüngsten Familienzuwachs nun wieder zu entledigen. Dabei darf man wohl froh sein, wenn die frischgebackenen Tierhalter:innen die Lieblinge nicht einfach am nächsten Rastplatz aussetzen. Neben den Kapazitätsgrenzen machen vielen Tierheimen jedoch auch die gestiegenen Lebenshaltungs- und Energiekosten zu schaffen. Mitte Oktober rechnete der Discounter „Futterhaus“ noch mit einer durchschnittlichen Teuerung von 10%. Diese Kosten treffen nicht nur Tierheime sondern auch Halter:innen und jene, die es vielleicht bald werden wollten.
Ich bitte Sie, werte Ratskolleginnen und -kollegen, nicht für mich, nicht für Salach, nicht für die Menschen, ich bitte Sie für all die Hunde, die in Tierheimen oder Tötungsstationen sitzen und vergeblich auf ein neues Zuhause warten. Lassen Sie uns für diese Tiere die Hundesteuer in Salach gemeinsam abschaffen, um deren Chance auf ein klein wenig Glück im Leben auch nur etwas zu erhöhen.
Am Ende komme ich nun nochmal auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen, der die Flüchtlingssituation im Kreis und speziell auch bei uns deutlich verschärft hat. Wir sind nicht nur rechtlich, sondern viel wichtiger auch moralisch dazu verpflichtet, flüchtenden Menschen Schutz zu gewähren. Unabhängig davon, ob sie vor dem Krieg in der Ukraine, den Konflikten im Nahen Osten und Afrika oder dem Hungertod fliehen. Die Containersiedlung, wie sie nun im Gewerbegebiet im Salacher Süden und damit am äußersten Rand unserer Kommune entsteht, ist die denkbar schlechteste Lösung – aber sie ist auch die einzige.
Es gibt genügend Gründe, sich gegen diesen Standort auszusprechen. Ein Wohncontainer kann kein Haus oder eine Wohnung ersetzen. Die Menschen fühlen sich am Rande eines Industriegebiets zu Recht möglicherweise unerwünscht und ausgegrenzt. Zudem kann eine Integration in das Dorfleben und die Gemeinschaft hier praktisch kaum bis gar nicht stattfinden. All dies wären also gute Gründe gewesen, die die dortigen Grundstücksbesitzer:innen hätten vorbringen können. GEGEN das Flüchtlingsheim aber FÜR die Flüchtlinge – stattdessen unterschreibt man aber lieber eine mit Ressentiments gespickte Petition an den Gemeinderat.
Lassen Sie es mich in aller Deutlichkeit sagen: Es widert mich an und ich schäme mich für meine Mitbürger:innen, die diesen Menschen, die meist alles verloren haben und vor nicht weniger als Folter und Tod fliehen, mit derartigen Vorurteilen und Ablehnung begegnen. Umso wichtiger, dass sich der Gemeinderat nicht hat beirren lassen und in dieser Angelegenheit ein deutliches und bei einer Enthaltung sonst auch einstimmiges Zeichen gesetzt hat.
Losgelöst von der Flüchtlingsthematik kann ich den Unmut der Gewerbetreibenden über die überdurchschnittliche Verschmutzung in diesem Bereich aber durchaus nachvollziehen. Neben „normalem“ Müll finden sich dort nicht selten auch menschliche Exkremente. Beides ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Fernfahrer der dort abgestellten LKWs zurückzuführen. Als eine erste Maßnahme hat SÖS in der Vergangenheit bereits die Aufstellung von Mülleimern angeregt. Nun möchten wir noch einen Schritt weiter gehen.
Wie man mir mitgeteilt hat, hat die Gemeindeverwaltung grundsätzlich kein Problem damit, wenn LKWs dort Rast machen. Und ich bin überzeugt, dass die Zustände dort weniger das Resultat von Vorsatz als vielmehr den mangelnden Alternativen geschuldet sind. Aus diesem Grund möchte SÖS mit der Bereitstellung von minimaler Infrastruktur den meist osteuropäischen Fahrern, die unter ausbeuterischen Bedingungen schuften, damit bei uns in den Einkaufsläden täglich die Regale gefüllt sind, ein klein wenig Wertschätzung entgegenbringen. Mit der Aufstellung einer mobilen Toilettenkabine und vielleicht sogar einer zusätzlichen Duschkabine, ergänzend zu den Mülleimern, würden wir diesen Menschen nicht nur etwas Würde zurückgeben, sondern gleichzeitig die Sauberkeit vor Ort auch signifikant erhöhen. Wie immer gilt: Wir können auch mit wenig bereits viel erreichen.
Meine Damen und Herren ich komme zum Ende und vor dem Hintergrund der vielen Krisen und Konflikte auf der Welt möchte ich mit einem Zitat der schwedischen Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf schließen:
Kurz bevor die Sonne aufgeht, ist die Nacht am dunkelsten.
Salach, den 06.12.2022
René Niess (GeR)
Salach Ökologisch Sozial
Anträge
(die Reihenfolge der Anträge entspricht nicht der Priorisierung)